Friseur Klinck: Die Familie hilft in der Krise
Die Friseurkette Klinck wurde gerade aus der Insolvenz geführt, als mit Corona die nächste Krise zuschlug.
Anfang 2020 sah alles nach einem guten Jahr für das traditionsreiche Familienunternehmen Klinck aus: Nach knapp einem Jahr Arbeit konnte Interims-Manager Dieter Bonk vermelden, das Friseur-Unternehmen Klinck erfolgreich aus der Insolvenz geführt zu haben. Zum 1. März wurde Bonk alleiniger Geschäftsführer – dann kam Corona. Und im April verstarb dann noch das Oberhaupt der Familie Klinck, Wolf-Dieter Klinck.
TOP HAIR: Zu Beginn des Jahres sah alles nach einem guten Jahr für Klinck aus: Nach knapp einem Jahr Arbeit konnten Sie Anfang 2020 vermelden, das Friseur-Unternehmen Klinck erfolgreich aus der Insolvenz geführt zu haben. Chapeau! Zum 1. März wurden Sie alleiniger Geschäftsführer – dann kam Corona, im April verstarb dann noch das Oberhaupt der Familie Klinck, Wolf-Dieter Klinck. Von einer Krise in die nächste. Wie geht es Ihnen heute und wie geht es dem Unternehmen?
Dieter Bonk: Mir persönlich geht es den Umständen entsprechend gut. Persönlich hat mich der Verlust von Wolf-Dieter Klinck sehr getroffen. Der Austausch mit ihm war immer sehr bereichernd. Sein Tod hat allerdings keine Auswirkungen auf das Geschäft, da er im Operativen ja schon lange nicht mehr tätig war. Corona hat sehr viel verändert. Auch wir mussten Kurzarbeit anmelden. Das belastet mich. Unsere Friseure haben durch die Kurzarbeit riesige finanzielle Herausforderungen zu bestehen. Aus unternehmerischer Sicht dürfen wir allerdings nicht nochmals in Schieflage geraten. Die Krise kostet uns sehr viel Geld und wir erhalten keinerlei Unterstützung in Form von Zuschüssen, da wir ja gerade erst aus der Insolvenz kommen. So müssen wir uns mit eigenen Mitteln über Wasser halten. Ohne den Familienverbund Klinck und deren Bürgschaften wären wir nach der Insolvenz nicht über die Runden gekommen. Derzeit sind wir stabil, wir mussten keinem Mitarbeiter kündigen und keine Verträge aufgrund der Krise auslaufen lassen.
TOP HAIR: In der Phase der Insolvenz wurden Salons geschlossen. Wie viele waren es und wie viele Mitarbeiter mussten gehen?
Dieter Bonk: Wir haben uns von 99 Filialen auf 66 verkleinert. Durch Versetzung konnten wir viele Mitarbeiter auffangen, wir mussten uns nur von denen trennen, bei denen dies nicht möglich war, weil die nächste Filiale zu weit weg lag. Reduziert wurde die Zahl der Mitarbeiter um 10 %, bei knapp 600 Mitarbeitern. Wir haben die Unternehmenszentrale angepasst, die ist nun klein und bescheiden, auch den Innendienst haben wir deutlich verkleinert und den Außendienst von sechs Personen auf drei reduziert. Es gibt nun auch keine Zwischenpositionen mehr, sondern nur den Salon, den Außendienst und mich.
TOP HAIR: Wie sieht das heute, nach dem Shutdown, aber immer noch unter Corona-Einschränkungen aus? Müssen weitere Standorte geschlossen werden, um den Erfolg von 2019 nicht zu gefährden?
Dieter Bonk: Ein klares Nein! Die Standorte, die wir haben, bleiben erhalten. Da haben wir ein bisschen Glück im Unglück: Durch die Insolvenz haben wir keine Leichen mehr im Keller, wacklige Standorte habe ich gar nicht. Die Essenz dessen, was durch das Insolvenzgericht übriggeblieben ist, ist auch belastbar, alle Standorte sind wirtschaftlich gut und fortführungsfähig.
Ich erhalte derzeit sogar Angebote, Geschäfte zu übernehmen. Und ich fange ernsthaft an zu überlegen, diese Option den Eigentümern vorzustellen. Dabei geht es mir nicht um eine möglichst große Anzahl an Salons zu erreichen, das ist mir völlig egal.
Das Schöne ist, dass Klinck ein solides Familienunternehmen ist. Die Gesellschafter haben nicht den Anspruch, aus dem Unternehmen Geld rauszuziehen, um reich zu werden. Das ist eine völlig neue Situation für mich. Man muss auch nicht zum Rapport, wie bei Konzernen, sondern kommt mit an den Familientisch.
Kurzum: Wir werden nichts schließen, sondern prüfen im Gegenteil ernsthaft ob wir Angebote annehmen, Standorte zu übernehmen. Wir sind nicht auf Expansionskurs, aber es kann dennoch eine Überraschung geben.
TOP HAIR: Wie haben Sie die ersten Wochen nach der Wiedereröffnung erlebt?
Dieter Bonk: Die ersten zwei, drei Wochen nach der Wiedereröffnung herrschte wahrlich eine Goldgräber-Stimmung. Da standen Schlangen vor dem Salon. Das habe ich das letzte Mal in den 80er-Jahren gesehen, als ich selbst noch Azubi war. Das mal wieder zu sehen, die Systemrelevanz der Friseure, das war großartig! Das war auch großartig für die Kunden, die sechs Wochen ohne Friseure auskommen mussten. Ich war da, als die ersten beiden Kunden nach dem Shutdown bedient wurden. Die mussten durch die Auflagen z.b. mit Waschen und Föhnen deutlich mehr bezahlen als noch davor und dennoch waren die Kunden so happy und richtig gerührt. Diese Stimmung kennt man ansonsten nur bei kompletten Typveränderungen nach einer Trennung. Sie waren begeistert, haben ein exorbitantes Trinkgeld gegeben und eine Laudatio auf die Friseurin gehalten. Es war schön, das zu erleben. Das war mein Traum, den ich nie gewagt habe auszusprechen, dass der Friseur solch ein Image hat, so honoriert wird. Diese Momente hätte ich gerne eingefroren.
Denn: Bereits in der dritten Woche nach Wiedereröffnung kamen 10 bis 25 % weniger Kunden. Und die No-Show-Rate ist gestiegen. Die Loyalität der Verbraucher ist leider überhaupt nicht gegeben. Das führte dann zu Leerlaufzeiten und zu Umsatzeinbrüchen. Wir merken auch, dass der Durchschnittspreis, der im Salon gezahlt wird, wieder runter geht. Auch der Anteil der Farbdienstleistung geht zurück. Und der Abverkauf schwächelt. Die Kunden scheinen während des Lockdowns ihre Liebe für den Onlinehandel entdeckt zu haben. Das sind allerdings keine reinen Klinck-Phänomene.
TOP HAIR: Wie sind die Salons nun nach dem Shutdown aufgestellt?
Dieter Bonk: Wir arbeiten im Schichtbetrieb, das haben wir durch die langen Öffnungszeiten in den Shopping-Zentren ja schon immer. Teils ist dieser Betrieb aber verkürzt. Wo wir aber können, fahren wir hoch.
In den Salons haben wir begonnen, diese negative Informationswelle zu durchbrechen. Überall rotes Flatterband, Verbotsschilder, das darf man nicht, jenes darf man nicht. Das macht wenig Lust auf den Friseur. Wir ändern gerade unsere gesamte Kommunikation und flaggen unsere Salons um. Unsere neue Kampagne heißt schlicht „Herzlich willkommen“. Wir entfernen alle Verbotsschilder, es gibt nur noch freundliche Farben und Fotos mit lachenden Menschen darauf. Wir wollen diese „mood“ zurückbringen: „Habe Spaß am Friseurbesuch, komme und wir machen Dich glücklich.“ Kein Rot mehr, keine Kreuze, keine Ausrufezeichen. Da sind wir nun drüber weg, wir wollen dem Kunden wieder Lust machen.
TOP HAIR: Kann der Verlust durch den Shutdowns aufgeholt werden?
Dieter Bonk: Nein, definitiv nicht! Wir werden alles unternehmen um in 2020 eine schwarze 0 zu schreiben. Gott sei Dank tragen, wie bereits erwähnt, Monika und Susanne Klinck das mit. Es wird auch für uns ein schwieriges Jahr werden.
TOP HAIR: Wie gehen Sie mit der Senkung der Mehrwertsteuer um, geben Sie diese an Ihre Kunden weiter?
Dieter Bonk: Dazu würde ich gerne etwas lesen, was mir eine klare Vorgabe gibt. Bislang sehe ich für mich keine Vorgabe der deutschen Regierung, dass man als Unternehmen verpflichtet ist, diese Senkung weiterzugeben. Ich denke, es wird eher eine Imagesache sein. Wir werden es in irgendeiner Form tun müssen. Wahrscheinlich wird das bei uns aber erst ab dem 2. Monat so sein. Ein weiterer Gedanke von mir ist, dass wir es als Solidaritätsbekundung an unsere Mitarbeiter weitergeben und das dem Kunden gegenüber auch so vermarkten. Ich will das Geld nicht haben, so dramatisch sieht es bei uns nicht aus und ich finde es auch ethisch nicht tragbar. Ich will das Geld sinnvoll weitergeben. Die Frage ist, ob der Kunde das akzeptiert, wenn es an die Mitarbeiter geht, die schon genug Einbußen hatten. Kann man es auch als Corona-Prämie auf ein Konto legen und dann gesammelt als Sonderbonus an die Mitarbeiter auszahlen? Darf man das überhaupt? Das lasse ich gerade prüfen!
TOP HAIR: Nach 90 Jahren Zusammenarbeit haben Sie von Schwarzkopf zu Wella gewechselt, warum?
Dieter Bonk: Aus meiner Sicht war es an der Zeit, einen neuen Weg einzuschlagen. Es gibt ausdrücklich keine Differenzen zwischen Schwarzkopf und uns. Wir haben alle großen Lieferanten pitchen lassen. Da haben wir ganz sauber gespielt und waren gegenüber Schwarzkopf auch immer ehrlich und offen. Ehrlichkeit und Fairness sind für mich extrem wichtig. Ich mag dieses Taktieren mit Gerüchten und Lügen nicht.
Am Ende ging es eben nicht nur um Konditionen. Wir legen allergrößten Wert auf Fort- und Weiterbildung und da hat Wella eben einen riesigen Punkt gemacht mit dem Junior-College. Das ist ein einzigartiges Tool, das zu unserer DNA passt.
TOP HAIR: Wella geht nun zu 60 Prozent an den Finanzinvestor KKR. Stehen Sie immer noch hinter dem Wechsel zu Wella?
Dieter Bonk: Ja, ich stehe immer noch dahinter. Wella hatte ja schon ein paar Eigentümer, aber an der Qualität der Produkte hatte das nie etwas geändert, die sind nicht schlechter geworden. Die Nähe zum Friseur hat sich in meinen Augen seit dem letzten Wechsel sogar gebessert.
Ich habe Wella als super entspannt erlebt. Man bekommt schnell eine Antwort und Wella wirkt viel authentischer als bei den letzten Verkäufen.
TOP HAIR: Welche Erwartungen haben Sie an den neuen Investor?
Dieter Bonk: Ich habe keine Erwartungen an den Investor. Ich habe Erwartungen an das Wella-Team, ich erwarte, dass Wella den Vertrag erfüllt, den wir miteinander geschlossen haben.
TOP HAIR: Viele bauen mühsam einen Online-Shop auf, um ihre Produkte zu verkaufen, Sie haben Ihren geschlossen. Warum?
Dieter Bonk: Der Online-Shop war einfach nicht wirtschaftlich. Und dieselben Produkte, die im Laden zu kaufen sind, dann online billiger anzubieten, das sehen wir nicht. Das ist das Schöne an unserem Familienunternehmen, da geht manchmal die Ethik vor der Wirtschaftlichkeit. Da schaue ich lieber neid- und respektvoll auf den Onlineshop von Hagel und konzentriere mich auf den stationären Handel und die Friseurdienstleistung.
TOP HAIR: Sie wollten die Salons bereisen und alle Mitarbeiter persönlich kennenlernen. Dann kam Corona. Wie weit sind Sie mit Ihrer Tournee durch die Salons?
Dieter Bonk: Leider bin ich noch am Anfang. Ich hatte im März vor dem Shutdown nur ein Drittel der Läden geschafft. Ich war sehr ambitioniert, ich glaube, die Mitarbeiter eher irritiert und beansprucht durch mich. Aber, ich habe in den vergangenen Wochen ganz viel mit den Mitarbeitern telefoniert, geschrieben, per Video-Telefonie kommuniziert. Wir haben durch den Wegfall des Tagesgeschäftes so viel miteinander gesprochen, wie noch nie. Ich habe die Zeit auch bewusst genutzt, um mich durch Gespräche zu motivieren. Meine Handynummer ging an alle Mitarbeiter, und sie dürften sich jederzeit melden, wenn sie Ängste haben. Ich wollte Nähe beweisen. Lustigerweise haben das sehr viele auch in Anspruch genommen. Zwischen 50 und 100 Nachrichten habe ich am Tag bekommen. Es gab von mir auf Fragen der Mitarbeiter aber keine strategischen oder politischen Antworten, oftmals musste ich auch sagen: ich weiß es nicht. Und ich war ehrlich, habe meine Gefühle und aber auch Verletzlichkeit gezeigt. Ich nehme mir die Zeit, Angst zu nehmen, wenn ich es kann, aber ich werde auch ehrlich antworten. Auch die Zentrale und ich sind auf 50% Kurzarbeit gegangen. Diese Solidarität zu unseren Mitarbeitern ist unser Anspruch als Familienunternehmen und auch mein eigener. Deshalb fühle ich mich hier, trotz der zahlreichen Herausforderungen, so wohl. Inzwischen scharre ich aber mit den Hufen, dass ich die Rundreisen fortführen kann.
TOP HAIR: Die Homepage des Unternehmens scheint mir nicht ganz aktuell. Die Beiträge sind mindestens ein Jahr alt. Ist das eine Baustelle, die in diesem Jahr noch auf der Agenda steht?
Dieter Bonk: Autsch! Da legen Sie einen Finger in die Wunde! Ja, das haben wir für 2020 bitter nötig. Ich will das machen, das ist im Fokus. Derzeit sind wir immer noch in Kurzarbeit und arbeiten Stück für Stück die Dinge ab. Und im Moment muss ich mich eben fragen: Wo hat eine Investition den größten Effekt? Bevor ich nur einen Euro für unser Image ausgebe, muss das „daily business“ für die Mitarbeiter so erträglich wie möglich gemacht werden. Das bedeutet derzeit etwa, dass wir in zwei Salons eine Klimaanlage einbauen, damit dort auch das Arbeiten mit Maske angenehmer wird. Das ist mir wichtiger als eine moderne, aktuelle Homepage.